Stand 30.08.2018Link zur Amnesty-MeldungEinzelfallarbeit ist ein wichtiges Aufgabenfeld unserer Gruppe. Dabei haben wir uns spezialisiert auf den Iran. Wir haben in unserer Gruppe eine Reihe Iraner und arbeiten eng mit der Amnesty Koordinationsgruppe Iran zusammen. Das verschafft uns verlässliche Informationen aus dem Iran.
Abdolfattah Soltani ist ein gewaltloser politischer Gefangener im Iran.
Unsere Gruppe setzt sich für seine Freilassung ein mit Petitionen, Postkartenaktionen, Informationsveranstaltungen uvm.
Soltani, Jahrgang 1953, ist ein international bekannter und anerkannter Rechtsanwalt, der viele Opfer von Menschenrechtsverletzungen im Iran verteidigt hat. Dadurch wurde er selbst zum Ziel politischer Verfolgung.
Gemeinsam mit der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi ist Soltani Gründungsmitglied des inzwischen verbotenen Zentrums für Menschenrechtsverteidiger (CHRD) im Iran.
2009 wurde Soltani der Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen.
Am 10. September 2011 wurde Soltani festgenommen und angeklagt wegen “Verbreitung regimefeindlicher Propaganda”, “Gründung einer illegalen Oppositionspartei” und “Versammlung und Verschwörung um die nationale Sicherheit zu stören”.
Soltani wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt. AMNESTY INTERNATIONAL betrachtet Soltani als politischen Gefangenen und die Vorwürfe gegen ihn als unbegründet.
Unsere Gruppe setzt sich aktiv für seine Freilassung ein.
Bericht über die aktuelle Situation von Ernährung, Hygiene und medizinischer Behandlung von Gefangenen im Evin-Gefängnis in Teheran
27.02.2017 Maede Soltani (Soltanis Tochter):
“Dieser aktuelle Bericht betrifft alle Gefangenen in
Haftanstalten im Iran, auch die politisch Inhaftierten im Teheraner
Evin-Gefängnis:
Essen: Für die
tägliche Ernährung im Gefängnis ist nach Angaben Verantwortlichen der
pro Gefangenem ein Budget von 3000 Toomans pro Tag vorgesehen. 3000
Toomans sind umgerechnet etwa 70 Cent, davon sollen Gefangene am Tag
drei Mahlzeiten und gesundes (!) Essen bekommen, währenddessen in
Teheran ein einziges Ei etwa 40 Cent kostet.
Weil das Budget für Ernährung sehr gering geplant ist,
bekommen die Gefangenen immer Lebensmittel in schlechter Qualität,
rotes Fleisch (Rind oder Lamm) ist aus dem täglichen Ernährungsplan
komplett weggestrichen. Alle anderen Lebensmittel gibt es nur in
schlechter oder billiger Qualität. Deswegen werden fast alle Gefangenen
im Laufe der Zeit schwächer und bekommen aus Vitaminmangel
gesundheitliche Probleme.
Viele Gefangene im Evin sind krank und brauchen eine
spezielle Diät mit bestimmten Lebensmitteln, die im Gefängnisladen nicht
vorhanden sind. Dies bedeutet, Gefangene können die von ihnen
benötigten Lebensmittel im Laden selbst mit ihrem eigenen Geld nicht
kaufen. Wenn ihre Familie ihnen diese Lebensmittel ins Gefängnis bringt,
geben die Beamten trotz aller Kontrollen keine Lebensmittel an die
Gefangenen weiter.
Medizinische Versorgung und die Klinik im
Evin-Gefängnis: Im Evin-Gefängnis befindet sich eine dürftig
ausgestattete Klinik, die auf keinen Fall für die Behandlung von
ernsthaften Erkrankungen geeignet ist. Fachärzte kommen alle paar Wochen
zum Untersuchen der Gefangenen. An diesen Tagen müssen die Gefangenen
in einer langen Schlange warten, bis sie drankommen. Selbstverständlich
können viele den Facharzt nicht besuchen und müssen also auf den
nächsten Termin in ein paar Wochen warten. Darunter sind sicherlich
viele, die eine zügige Behandlung benötigen und schnell im Krankenhaus
geschickt werden sollten, die aber nicht einmal vom Facharzt untersucht
werden.
In der Klinik können viele Erkrankungen und die
Ursachen dafür nicht festgestellt werden. So hat ein Gefangener nach
seiner Freilassung festgestellt, dass er Krebs entwickelt hatte, was
aber zweieinhalb Jahre lang im Evin-Gefängnis nicht erkannt worden war,
obwohl er dort viele Male vom Facharzt untersucht worden war. Der andere
bekannter Fall, Herr Hoda Saber. Die Verantwortlichen haben ihn zu spät
ins Krankenhaus gebracht, so dass er an einem Herzanfall gestorben ist.
Eine Genehmigung für eine Einweisung ins
Gefängnis-Krankenhaus ist ein langer und schwieriger Prozess. Die
Staatsanwaltschaft und das Gefängnispersonal sind zuständig, alle
Formalitäten für die Einweisung der Gefangenen zu erledigen. Dieser zu
lange und fehlerhafte Prozess gefährdet selbstverständlich die
Gesundheit der Gefangenen.
Eine Einweisung für eine medizinischer Hafturlaub ist
noch schwieriger zu bekommen. Für politische Gefangene kommen die
Entscheidungen aber nicht direkt von der zuständigen Behörde, sondern
der Geheimdienst oder sogenannten Vernehmungsbeamten entscheiden
darüber. Oft bekommen sie keine Genehmigung von Staadsanwaltschaft, so
hat es für meinen Vater 2.5 Jahren gedauert ihn zu einer
Krankenhausbehandlung zu schicken. Weil die Geheimdiensagenten ihn
keinen Hafturlaub erlaubten, wurden 2.5 Jahren die
Anträge meiner Mutter ständig nicht genehmigt.Sie musste andauernd in
die Staatanwaltschaft in Tehran, um eine Antwort zu bekommen.
Wenn dem Gefangenen Zugang zu einem Krankenhaus
gewährt wird, schließt sich ein weiterer langer Prozess an. Die
Entscheidung, in welches Krankenhaus der Gefangene überwiesen werden
soll – einerlei ob Zahnarztpraxis oder ein größeres Krankenhaus in
Teheran -, wird zuerst von der Staatsanwaltschaft geprüft. Hier liest
der Geheimdienst mit, der die Entscheidung des Staatsanwalts maßgeblich
beeinflusst. Zu den Genehmigungen gehört auch eine Zustimmung der
Familie des Gefangenen, dass sie bereit ist, selbst alle Kosten für die
Behandlung zu übernehmen. Dazu kommen noch die Kosten für den Aufenthalt
der Bewacher, die den Gefangenen Tag und Nacht beobachten sollen. Jeder
Gefangene soll von zwei Wächtern begleitet werden. Krankenhäuser
bekommen pro Nacht auch für ihren Aufenthalt Geld.
Diese alles bedeutet, die meisten Gefangene diese
hohen Kosten weder selbst noch durch ihre Familien übernehmen können.
Also müssen die Gefangenen auf einen Krankenhausaufenthalt verzichten
und mit ihren Beschwerden zurechtkommen. Die hohen Kosten sind für sie
einfach unmöglich zu zahlen.
Alle Genehmigungen werden von Geheimdienstschergen kontrolliert. Ein Unding!
Im Saal 12 von Trakt 7 im Evin-Gefängnis gibt es
keinerlei Sonnenlicht. Einige Abteilungen sind in sehr schlechtem
hygienischem Zustand. Die Wände sind feucht, oder es gibt Insekten wie
Läuse oder Wanzen in diesen Trakten.
Selbst ein Gefangener, der jung und ganz gesund das
Gefängnis betritt, leidet nach einiger Zeit an vielen Erkrankungen. Ein
eindeutiger Fall dafür ist der Physiker Omid Kokabi. Er wurde nach mehr
als 5 Jahren aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes
freigelassen, eine Niere musste entfernt werden. Er lebt jetzt mit nur
einer Niere in Norden des Iran.
Zu dem physischen Leid erfahren Gefangene auch viele
psychische Probleme. Ihnen wird verboten zu telefonieren und Kontakt mit
ihrer Familie zu halten. So kommt ein Mensch in einem schwierigen
mentalen Zustand. Dazu kommen noch alltägliche Misshandlungen im
Gefängnis. Ob man als Krimineller oder aus politischen Gründen im
Gefängnis sitzt, man wird ständig gedemütigt und misshandelt. Im
Verordnungen für Gefängnis steht, dass die politische Gefangene getrennt
von allen anderen aufgehalten werden sollen, in der Praxis sind sie
gemischt mit anderen. So passieren oft Hetzen von Kriminellen gegen den
anderen politischen Gefangenen. Diese Fakten neben vielen anderen
alltäglichen Mängeln erhöht auf den politischen Gefangenen den
alltäglichen Stress im Gefängnis.
Zusätzlich zu allen oben angeführte Punkte, soll man
noch wissen, gefangen zu sein bedeutet Verbot von vielen normalen
Lebensgefühle und natürliche Bedürfnisse, die jeder von uns in Freiheit
hat.
Ein Gefangener kann keine Natur, keine Pflanzen, keine normalen
Straßenverkehr, keine Familie und keine soziale Kontakte genießen
Er ist in wahrsten Sinne eine gefangener in 4 Wände.
Trotz allem, was hier angeführt wird, muss man sagen,
dass das Evin-Gefängnis im Vergleich mit anderen Haftanstalten noch das
am wenigsten schlimme im Iran ist. Alle anderen Gefängnisse sind noch
viel schlimmer. Für ein Land, das von sich behauptet, ein Rechtsstaat zu
sein, sind das schändliche, unakzeptable und nicht zu rechtfertigende
Zustände.”